July 8, 2017 / erstellt am:  July 23, 2017
Fotografie, Dokumentation, LGBT, Pride / Bewertung: 8

Der Kampf um Gleichberechtigung oder schrille Fasnacht?

So lange irgendwo auf dieser Welt Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt, misshandelt oder gar getötet werden, müssen wir auf die Strasse gehen um dagegen zu protestieren und um sichtbar zu machen, dass es nicht nur heterosexuelle Lebensformen gibt. Dieser politische Gedanke ist die Basis der Gay Pride, die jedes Jahr als Strassenparaden in verschiedenen Städten stattfinden, auch wenn viele Prides eher an Fasnacht und Party erinnern und der politische Aspekt in den Hintergrund zu treten scheint. Es gibt sogar innerhalb der Community Stimmen die sagen, dass all diese Paradiesvögel dem Kampf für Gleichberechtigung eher schaden als nützen.

«Schwule haben es satt, dass sie mit den schrillen Vögel in einen Topf geworfen werden. Persönlich habe ich nichts gegen die Pride, ich sage nur, wenn man für Gleichberechtigung kämpfen will, ist das der falsche Weg. Die Gay Pride ist vorbei, denken sie etwa, dass Homosexuelle jetzt mehr Rechte haben? Nein, es hat sich nichts verändert, ausser dass man gesehen hat, wie Tausende getanzt und gefeiert haben. (Jungpolitiker, SVP)

Es hat sich sogar sehr viel verändert in den letzten Jahrzehnten. Allerdings nur in der westlichen Welt. Natürlich kann nicht gesagt werden, dass dies an den jährlich stattfindenden Gay Prides liegt. Aber sie sind Teil einer gesellschaftlichen Bewegung. Ein sichtbarer Teil, der immer wieder daran erinnert. Würde es keine Prides mehr geben, würde das Thema in Vergessenheit geraten. Das Schrille, Freizügige, Extreme gehört genauso dazu, wie der Anzugträger, der oder die Uniformierte oder der oder die Unscheinbare.

«So lange auch nur eine einzige Person unserer Community Angst davor hat, was für ein Bild die Heteros von uns haben könnten, solange braucht es die Pride. Bis endlich allen klar ist, dass Heterosexualiät nicht normaler, sondern häufiger ist. Bis endlich allen klar ist, dass wir absolut gleichwertige Menschen sind und wir uns nicht auf eine bestimmte Art aufführen müssen, um von Heterosexuellen gnädigerweise akzeptiert zu werden.» (SP-Gemeinderat Stadt Zürich)

Es war eher Zufall, dass wir gerade an diesem Wochenende in London waren, als eine der grössten Gay Prides Europas stattfand. Und daran teilzunehmen war weniger ein politisches Statement als viel mehr die Absicht zu fotografieren. Mein Ziel war es die «schrillen Vögel» zu sehen und zu fotografieren. Je bunter und schriller, desto besser. Dennoch war der politische Gedanke stets präsent. Zum Beispiel als ich die Gruppe Flüchtlinge sah, die bei der Parade mitgelaufen sind. Flüchtlinge, die nicht nur vor dem Krieg geflüchtet sind. Oder eine kleine Gruppe Muslime, die sich zu ihrer sexuellen Orientierung bekennen, auch wenn es ihre Religion verbietet.

Auch «Pinkwashing» war zu sehen. Das sind Unternehmungen, die an der Pride teilnehmen um sich als Marketingstrategie ein modernes, fortschrittliches und tolerantes Image zu verpassen, im Endeffekt aber nur ihr Produkt oder ihre Dienstleistung verkaufen wollen, was auch ok ist, so lange sie dafür sorgen, dass Schwule, Lesben und Transgender in ihrer Unternehmung gleichberechtigt behandelt werden. Die Grenze zwischen echter Solidarität und Pinkwashing kann nicht sofort festgestellt werden.

Ich kann nachvollziehen, dass einigen Heteros das Thema LGBT durch die Omnipräsenz z.B. in den Medien langsam überdrüssig ist. Diese gleich als homophob abzustempeln wäre genauso falsch und diskriminierend, wie es homophobe Äusserungen sind. Etwas mehr Gelassenheit im Bezug auf Homophobie wünschte ich mir. Es braucht Zeit, bis sich etwas verändert. Und genau darum glaube ich, dass es diese Omnipräsenz braucht, um sich langsam im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern. LGBT gehört zu unserer Gesellschaft und ist gleichberechtigt zu behandeln. Es geht NICHT darum Heteros bekehren zu wollen. Ewiger Tropfen höhlt den Stein. Darum braucht es auch jedes Jahr im Sommer diese Prides, bei denen übrigens auch viele Heteros mitmachen und Spass haben.

Es war ein buntes Fest der Liebe, egal welcher Ausrichtung. Es war Demonstration und Fasnacht in einem. Es herrschte eine friedliche und ausgelassene Stimmung im Zentrum von London auf abgesperrten Strassen, wo sonst der Strassenverkehr dominiert. Was kann denn falsch daran sein?

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