November 26, 2015 / erstellt am:  November 26, 2015
Fotografie, Manipulation, Photoshop / Bewertung: 7

Bildmanipulation - Betrug oder Kunstgriff?

Meine Faszination für die Fotografie hat nicht nachgelassen. Sie hat sich bloss verändert.

Im vergangenen Jahr versuchte ich vermehrt Fotografien nachträglich zu manipulieren. Mich reizte es Fotografien im Photoshop zu verändern, so dass man die Veränderung nicht auf den ersten Blick bemerkt. Mit Photoshop ist vieles möglich, wenn man das Programm beherrscht. Manchmal hatte ich bereits beim Fotografien eine Idee, wie ich die Aufnahme nachträglich verändern könnte und fotografierte dementsprechend. Zum  Beispiel die Aufnahme mit dem Steinbock auf dem Pilatus: Mir war klar, dass ich niemals einem Steinbock auf dem Pilatus begegnen würde, obwohl angeblich Steinböcke dort leben sollen. Und wenn doch, würde er sich kaum so positionieren, wie ich es gerne hätte für die Aufnahme. Also fotografierte ich ein Bergpanorama so, dass ich nachträglich einen Steinbock hinzufügen konnte.

Es geht mir nicht darum den Betrachter zu täuschen, ihn jedoch zur aufmerksameren Betrachtung zu zwingen. Für mich ist es eine Art Spiel mit dem Betrachter. Bemerkt er die Manipulation oder fällt er darauf rein? Welche Fotografie wurde manipuliert und welche nicht? Stand der Steinbock tatsächlich derart optimal auf dem Pilatus oder nicht? Real or fake? Real and fake.

Der Anblick einer Achterbahn ist nichts besonderes und kennen wir alle. Springt jedoch die Bahn aus den Schienen, weckt dies ganz andere Gedanken und Gefühle in uns. Durch Manipulation wird die Bildaussage verändert.

Noch immer gilt Fotografie als Medium, das die Wirklichkeit möglichst realitätsgetreu abbildet, obwohl wir alle wissen, dass Fotografie heute sehr leicht manipuliert werden kann. Wir glauben einer Fotografie, dass das Abgebildete tatsächlich so vorhanden war, wie es gezeigt wird. Die meisten Menschen verwenden Fotografie um einen Moment bildlich festzuhalten um sich später daran erinnern zu können. Dass sie dabei manipulativ vorgehen, ist den wenigsten bewusst. Bereits bei der Auswahl des Bildausschnittes zeigen sie nur das, was sie zeigen wollen und lassen das andere weg, weil es stört oder vom Wesentlichen ablenkt. Eine Fotografie nachträglich zu verändern ist eine Weiterführung dieser Manipulation.

Manipulation hat auch immer einen schalen Beigeschmack, weil wir ihn mit Täuschung, Irreführung, Lüge, Beeinflussung und Betrug in Verbindung bringen. Wer lässt sich schon gerne täuschen? Niemand wird gerne belogen und betrogen. Vielleicht deshalb wird oft etwas despektierlich in Zusammenhang mit Photoshop gesprochen, weil heute eben alle wissen, dass nachträglich Fotografien manipuliert werden können. Mir ist sehr wohl bewusst, dass Bildmanipulation auch missbräuchlich verwendet werden kann. Es ist nur eine Frage der Absicht, was man damit bezwecken will. Aber gerade diese Ambivalenz macht den Reiz aus.

Anders betrachtet, ist Photoshop jedoch nur ein Werkzeug zur Bildgestaltung, so wie ein Pinsel für den Maler oder ein Bleistift für den Zeichner. Der Maler verwendet Farbe, Pinsel und Leinwand. Der Zeichner benützt Papier und Bleistift. Und der Fotograf benötigt einen Fotoapparat und eben Photoshop um Bilder herzustellen. Es geht nicht nur darum Wirklichkeit abbilden zu wollen, sondern eigene Bilder zu kreieren, so wie ein Maler oder Zeichner auch seine eigenen Bilder kreiert. Wie stark man sich dabei von der Realität entfernt ist Geschmacksache. Mich interessieren Manipulationen weniger, die zu realitätsfremd sind. Auch wenn es zum Glück eher unwahrscheinlich ist, dass eine Achterbahn aus den Schienen springt, besteht doch die theoretische Möglichkeit.

Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er die Wahrheit spricht. Es besteht die Gefahr, dass der Betrachter bei meinen Fotografien immer eine Manipulation erwartet. Allerdings ist die Gewohnheit, Fotografie als realitätsabbildendes Medium zu betrachten, derart stark, dass wir nur zu gerne glauben wollen, was wir sehen.

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