June 2, 2010 / erstellt am:  June 2, 2010
gelesen, Rezension, Buchkritik

Das ungute Gefühl bleibt bis zum Schluss

Ich werde den Verdacht nicht los, dass sich Milena Moser in ihrem Buch «Möchtegern» über alle lustig macht, die gerne ein Buch schreiben wollen. Bereits der Titel weckt diesen Verdacht. Es geht um eine fiktive Castingshow für Schreibtalente im Schweizer Fernsehen bei der man im herkömmlichen Auswahlverfahren einen Schweizer SchreibStar finden will.

Auch wenn es viele Parallelen zwischen der Autorin Milena Moser und ihrer Protagonistin geben mag, gehe ich davon aus, dass die beschriebene Figur Mimosa Mein erfunden ist. Bei einem Roman geht es immer um Fiktion und nicht um Realität, auch wenn Autoren selber diese beiden Ebenen oft vermischen. Milena Moser hat es geschafft. Sie ist eine anerkannte Schriftstellerin, die sich nun über alle Möchtegern-Schriftsteller und Schriftstellerinnen lustig macht. Diese Einstellung wollte ich nicht noch belohnen, in dem ich ihr Buch kaufte. Ich habe es aber in der Bibliotheke entdeckt und weil es mich dennoch interessierte, ausgeliehen und gelesen. Sie macht sich übrigens noch über viel mehr lustig, über Frauen, über Frauen in den Wechseljahren, über Männer, über Architekten, über Castingshows sowieso und über eigentlich alle und alles. Sie selber streitet dies natürlich ab, dass sie sich lustig macht. So gelesen in einem Interview. Dennoch bleibt dieser Eindruck und bewirkt, dass ich ihre Figuren nicht Ernst nehmen kann. Sie werden zu Karikaturen. Sympathie kann nicht aufkommen. Ihre Worte berühren mich nicht.

Enttarne ich mich nun als beleidigter und humorloser Möchtegernschriftsteller? Oder vielleicht bin ich nicht Satire tauglich. Ich kann aber auch zugeben, dass schöne Ideen, schöne Gedanken und schöne Sätze in diesem Roman zu finden sind, die mir durchaus ab und zu ein Schmunzeln entlockten. «Wenn ich schreibe, bin ich Gott. Und ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.» ist so ein geglücktes Beispiel.

Trotzdem. Eine gute Idee für eine Geschichte, dachte ich. Da für mich eine solche Castingshow undenkbar ist, weil Schreiben niemals zum sportlichen Wettkampf werden kann. Aber ähnliches gibt es bereits, wie zum Beispiel beim Literaturwettbewerb (Ingeborg-Bachmann-Preis) in Klagenfurt. Auch da und bei allen anderen Castingshows wird mit den Hoffnungen, Träumen und geheimen Wünschen der Kandidaten zum alleinigen Zweck der Unterhaltung gespielt.

Das Interesse, wer die Castingshow schlussendlich gewinnt, hält sich in Grenzen, da es sich sowieso nur um ein abgekartetes Spiel handelt. Somit will nie richtig Spannung aufkommen. Gegen Schluss wirkt die Geschichte etwas sehr konstruiert. Eine beiläufige Nebengeschichte mit einem angeblich verstorbenen Journalisten wird plötzlich wichtig. Eine andere mit dem Briefträger bleibt bis zum Schluss unerklärlich. Die Geschichte soll von ihren unterschiedlichen Charakteren leben, die lebhaft beschrieben sind, aber dennoch leblos bleiben.

Mit dem Thema Castingshow trifft Milena Moser den Nerv der Zeit. Und wahrscheinlich will sie dies mit ihren vielen Anspielungen auf zum Beispiel Charlotte Roche (Feuchtgebiete) oder Helene Hegemann (Axolotl Roadkill) noch unterstreichen. Den aktuellen Zeitgeist treffend, gibt es eine passende Website www.schreibstar.tv und ein facebook-Profil zum Buch. Hier können alle ihre literarischen Ergüsse publizieren und sogar an einem Wettbewerb teilnehmen, bei dem man ein eintägiges Schreibseminar bei Milena Moser gewinnen kann. Fiktion und Realität scheinen sich tatsächlich zu vermischen.
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