March 9, 2012 / erstellt am: March 14, 2012 aufgefallen, gefallen, Masterthesis, Bilder
Visuelle Assoziationen
Wenn wir etwas sehen, beginnen wir unwillkürlich das Gesehene mit Bildern oder Gedanken aus unserer Erinnerung zu verknüpfen. Wir assoziieren das Gesehene mit etwas bereits Bekanntem auf Grund eines formalen oder inhaltlichen Zusammenhangs. Dies ist die Ausgangslage der Master-Thesis von Thomas Wolf an der Hochschule der Künste in Bern.
Von Beginn weg wollte man uns an der Hochschule der Künste den Bereich «Design und Forschung» schmackhaft machen. Für die Master-Thesis war ein forschungsrelevanter Ansatz zwar nicht Bedingung, wurde jedoch begrüsst. Einen solchen forschungsrelevanten Ansatz verfolgte Thomas Wolf in seiner Arbeit, in dem er das assoziative Verhalten des Menschen in Bezug auf Bilder und Texte untersuchte.
Auf der Internetseite www.assoziiere.ch bestand zu Beginn des Thesissemesters während einiger Wochen die Möglichkeit, auf vorgegebene Texte oder Bilder mittels einer visuellen oder semantischen Verbindung zu reagieren und somit Teil einer Assoziationskette zu werden. In der dazugehörigen theoretischen Arbeit wurde untersucht, wie Assoziationen aufgebaut sind und wie die einzelnen Verbindungen zwischen Objekten funktionieren. Die unterschiedlichen Arten der assoziativen Verknüpfungen wurden ermittelt und zu kategorisieren versucht. Die praktische Arbeit zeigt zum einen den Verlauf der Assoziationskette, zum Anderen wurden die eingereichten Bilder und Texte in verschiedenen Publikationsformaten neu geordnet und nach verschiedenen Themenbereichen sortiert. Diese Neuordnung der Bilder und Texte kann als Querschnitt der aktuellen Popkultur verstanden werden, da aufgezeigt wird, welche Themen oder Ereignisse uns beschäftigen bzw. fest in unserem Gedächtnis verankert sind.
Ein starkes Konzept mit einer klaren Vorgehensweise und Analyse, auch wenn die gewonnen Erkenntnisse für ihn nicht neu und daher eher enttäuschend waren. Das menschliche Assoziationsverhalten sei grösstenteils sehr einseitig und langweilig, schreibt er in seinem Fazit. Aber gerade als Gestalter sind wir ständig mit Assoziationen beschäftigt, wobei es gilt unsere Assoziationen so zu wählen, dass sie von allen oder zumindest vom Zielpublikum nachvollziehbar sind. Ansonsten wird unsere visuelle Kommunikation nicht verstanden. Im Idealfall wählen wir Assoziationen, die ungewohnt sind, aber nachvollziehbar und somit überraschend. Solche Assoziationen nennt der deutschsprachige Schriftsteller Arthur Koestler in seinem Buch «Der göttliche Funke. Der schöpferische Akt in Kunst und Wissenschaft» Bisoziationen. Es sind Verknüpfungen von Begriffen, Bildern oder Vorstellungen aus unterschiedlichen begrifflichen Bezugsrahmen. Bisoziationen beschreiben das Durchbrechen geistiger Routinen, indem zwei üblicherweise nicht zusammengehörende Ebenen oder Objekte verbunden werden. Diese Abweichung von der Norm macht diese Verknüpfungen interessant und können zu neuen Erkenntnissen führen, Humor erzeugen oder zum Verstehen von Zusammenhängen dienen.
Neben weiteren Erkenntnissen sind seine Überlegungen, wie Assoziationen entstehen können, interessant. Nachdem eine erste gedankliche Verknüpfung feststeht, suchen wir heute dank Internet vor allem innerhalb gängiger Suchmaschinen wie zum Beispiel Google, in dem wir einen bestimmten Begriff eingeben, der uns spontan einfällt. Der erste assoziative Gedanke gibt den Rahmen der Google-Suche. Innerhalb dieses Rahmens entsteht eine grosse Auswahl an präzisen sowie zufälligen Suchergebnissen, unter denen die Person eine Auswahl treffen kann. Das Bild, das letztlich ausgewählt wird, unterliegt jedoch immer dem subjektiven Geschmack der suchenden Person und zeigt oft gar nicht mehr die erste eigentliche Verknüpfung. Das Suchergebnis beeinflusst also die Auswahl des assoziierten Bildes. Dabei spielt die Platzierung, Qualität des Bildes, die Popularität und der persönliche Geschmack eine Rolle. Ebenso beeinflussend in der Bildauswahl sind wichtige und bekannte Ereignisse, die sich über den Zeitgeist einer bestimmten Epoche verbinden. Wir wählen ein Bild, welches uns an etwas Bekanntes und Vertrautes innerhalb einer bestimmten Epoche erinnert.
In wie weit seine Assoziationskette ein Ausdruck der aktuellen Popkultur ist, kann angezweifelt werden, da diese Assoziationskette nur von einer bestimmten Gruppe von Menschen stammt und keiner wissenschaftlich fundierten Untersuchung entspringt. Und die Versuchung mit möglichst originellen Assoziationen auf der Website zu reagieren, ist ebenfalls ein beeinflussender Faktor, welcher diese Versuchsanordnung hervorbringen kann.
Dennoch, finde ich, hat Thomas eine sehr interessante und aufschlussreiche Master-Thesis erarbeitet, die auch in seiner zurückhaltenden Gestaltung in der praktischen Arbeit überzeugt und viele Möglichkeiten für weiterführende Arbeiten bietet.
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