October 25, 2008 / erstellt am:  November 8, 2008
Leserbrief, Interview, Moral / Bewertung: 6

Leserbrief zum Interview mit einem Mörder

Das Interview mit dem Mörder Rolf Hagen im «Magazin» Nr. 43 hat mich irritiert. Nicht die Antworten, die er gegeben hat. Diese wirkten zum Teil zwar schrecklich, aber alle plausibel und nachvollziehbar. Einige Fragen jedoch von Guido Mingels, welche sich wie eine indirekte Aufforderung zum Selbstmord anhörten, haben mich schockiert. Ebenso die Auflistung der Kosten fallen in diese Kategorie. Darf man das? Oder darf man das nur bei einem Sexualstraftäter?

Wäre die Todesstrafe nicht viel ehrlicher, als diese indirekten Aufforderungen zum Selbstmord? Ich bin gegen die Todesstrafe, weil dadurch auch Unschuldige umgebracht werden können. Aber diese indirekten Aufforderungen zum Selbstmord finde ich genauso verwerflich wie die Forderung nach der Todesstrafe.

Also wie gehen wir mit Sexualstraftätern und Mördern um? Wir sperren sie ein und versuchen sie zu therapieren. Das kostet uns zwar viel Geld, ist aber immer noch moralisch vertretbarer als die Todesstrafe oder diese indirekten Aufforderungen zum Selbstmord. Am besten wäre es natürlich, es gar nie soweit kommen zu lassen. Zum Glück weisst Herr Hagen am Ende des Interviews selber darauf hin, dass Menschen, die solche Gedanken hätten, wie er sie hatte, Hilfe eines Therapeuten suchen sollten. Und zwar bevor etwas Schreckliches passiert. Allerdings wissen wir auch, dass dies immer wieder geschehen wird.

Thomas Röthlisberger, Bern

Der Leserbrief wurde im «Magazin» Nr 45 abgedruckt, jedoch in gekürzter und verfremdeter Version. Meine Hauptbotschaft zur indirekten Aufforderung zum Selbstmord wurde komplett weggelassen. Ich kann ja verstehen, dass man Leserbriefe kürzen muss, jedoch sollte die Botschaft darin nicht verändert werden. Leserbriefe schreiben wird wohl so nicht zu meinem neuen Hobby werden. Einige Tage später erhielt ich eine E-Mail vom Verfasser des Artikels:

Sehr geehrter Herr Röthlisberger
Besten Dank für Ihre Mail, auf die ich nach langer Abwesenheit erst jetzt antworte. Es war keineswegs meine Absicht, den Täter «indirekt zum Selbstmord» aufzufordern. Ich hoffe, dass vielleicht der letzte Teil der Serie, der sich diskursiver mit Therapie und Strafvollzug und weniger unmittelbar mit dem Fall befasste, Ihren Lektüreeindruck etwas abrunden konnte.

Herzliche Grüsse, Guido Mingels
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