August 15, 2015 / erstellt am:  September 30, 2015
Reise, Ferien, Finnland

Kaksi viikkoa Suomessa

Die Finnen haben einen speziellen Humor: Permanent begegnet man auf finnischen Landstrassen den Strassenschildern, die vom Überqueren eines Elches warnen. Dabei glaube ich, dass es in Finnland gar keine freilebenden Elche mehr gibt, jedenfalls nicht im dichterbesiedelten Süden von Finnland, wo wir zwei Wochen lang von Westen nach Osten und zurück fuhren und insgesamt 2100 Kilometer zurücklegten. Allerdings die Vorstellung einem solchen mächtigen Tier auf der Strasse zu begegnen oder ausweichen zu müssen, scheint seine abschreckende Wirkung nicht verloren zu haben.

Helsinki - Porvoo - Kotka - Helsinki - Hanko - Turku - Rauma - Pori (Mäntyluoto) - Tampere - Ittala - Nuutajärvi - Tampere - Lahti - Imatra - Simpele - Pihlajakari - Hamina - Loviisa - Helsinki

In Helsinki übernachteten wir im Gefängnis. Rast im Knast. Oder eher im ehemaligen Gefängnis Katajanokka in der Nähe des Südhafens, was heute ein Hotel ist. Zwei umgebaute Zellen bildeten ein Hotelzimmer und eine halbe Zelle das Badezimmer. Heute natürlich mit jeglichem Komfort ausgestattet. Im Restaurant trinkt man aus Blechbechern und wird mit Handschellen gefesselt, wenn man sich nicht anständig benimmt.
Da Helsinki nicht so gross ist, kann es gut zu Fuss ausgekundschaftet werden. Die beste Aussicht über die Stadt bietet die Ateljee Bar mit Terrasse im 12. Stock des Sokos Hotels Torsi. Lohnenswert war auch der Besuch im Kunstmuseum Kiasma. Neben einer Sonderausstellung mit Fotografien von Robert Mapplethorpe war auch Tino Sehgal wieder anwesend bzw. einige Schauspieler und Schauspielerinnen, welche sich nach Anweisungen von Tino Sehgal umarmend auf dem Boden räkelten und seltsame Geräusche von sich gaben. Im Finnischen Museum für Fotografie wurde gerade umgebaut. Da habe ich wahrscheinlich schlecht recherchiert im voraus. Dafür verschaffte das Designmuseum einen Überblick über die Geschichte finnischer Produktgestaltung. Allerdings konnte ich mir abgesehen von Alvar Aalto die anderen finnischen Namen nicht merken. Die grossen Fährschiffe Viking und Silja im Hafen, die täglich Helsinki mit Stockholm oder Tallinn verbinden, waren eindrücklich zu sehen. Wir sind jedoch in Helsinki geblieben und haben wie tausend andere Touristen die berühmte Felsenkirche Temppeliaukio besucht, was nicht besonders lohnenswert war.

So schön die Landschaft in Finnland auch sein mag, wirkte die Fahrt durch die immer gleichaussehenden Wälder etwas monoton. Umso erfreulicher die Zwischenhalte in den Städten und Dörfern, die auf unserer Route lagen. Ab und zu kauften wir auf einem Markt 1 Liter (!) Erbsen, die wir wie die Finnen roh assen. Ein besonderes Highlight waren die Strände. Bei schönstem Sommerwetter vergasen wir am Sandstrand Yyteri beinahe, dass wir uns in Finnland befanden. Mit 6 Kilometer ist es wohl der längste Sandstrand Finnlands. Und erfrischend war das Baden im Meer auch.

In Turku übernachteten wir in einem alten Kreuzfahrtschiff, welches fest verankert auf dem Fluss Aurajoki schwimmt. Am nächsten Tag haben wir von der Burg in Turku wirklich alles gesehen, da der nicht endenwollende Rundgang durch alle Räume führte. Das war eindeutig zu viel, obschon neben viel Verstaubtem die neu gestalteten Räume gut inszeniert waren. In Rauma besichtigten wir die mittelalterliche Altstadt, bestehend aus bunten Holzhäusern. Während andere Holzhausviertel in Finnland meist Feuersbrünsten zum Opfer fielen, ist die Altstadt von Rauma seit 1682 von Bränden verschont geblieben und daher aussergewöhnlich gut erhalten (Wikipedia).

Ein grosses Musikfestival lockte viele Menschen nach Tampere in die drittgrösste Stadt Finnlands. Unter anderen trat der uns völlig unbekannte finnische Rapper Cheek auf. Er zählt zu den derzeit bestverdienenden Musikern in Finnland. Als Alternative gab es zeitgleich ein Heavy Metall Festival, welches auch am Sandstrand von Tampere gut zu hören war. Vom Fernsehturm im Vergnügungspark Särkänniemi sieht man über die ganze Stadt und ihre Umgebung. Man sieht viele Backsteinfabrikhallen, die heute als Museum, Kinos oder Kulturzentren genutzt werden, da die Industrie insgesamt rückläufig und der Dienstleistungssektor auf dem Vormarsch ist. Aufgefallen sind mir in Tampere Wohnblöcke im Stil sozialistischer Plattenbauten. Der Einfluss des Nachbarlandes scheint grösser zu sein, als man denkt. So gibt es in Tampere das einzige Lenin Museum ausserhalb Russlands. Der finnische Lenin-Kult hängt weniger mit ideologischer Begeisterung als mit der Tatsache zusammen, dass der ehemalige Sowjetführer Finnland 1917 die Unabhängigkeit zugestand.

Glasdesign hat eine lange Tradition in Finnland. Um dies hautnah zu erleben, machten wir einen Abstecher nach Iittala und Nuutajärvi, wo Glas einerseits in Massenproduktion und andererseits als Glaskunst in Einzelstücken hergestellt wird. Den Glaskünstlern hautnah bei ihrer Arbeit zuschauen zu dürfen, ist ein tolles Erlebnis. Das Resultat ihrer Arbeit konnte mich jedoch nicht immer begeistern. Iittala wurde 1881 als Glashütte gegründet. Im Laufe der Zeit hat Iittala seine Produkte von Glas auf andere Materialien, wie Keramik und Metall ausgeweitet, wobei man der Kernphilosophie progressives, elegantes und zeitloses Design zu kreieren, treu geblieben ist (Wikipedia).

Das Versprechen auf einer einsamen Insel in einem einfachen Holzhaus übernachten zu können, war der ausschlaggebende Grund für diese Reise. Auf der Suche nach Ruhe und Naturerlebnis pur, irgendwo in der Wildnis Finnlands. Wir kauften Proviant für zwei Tage in einem Supermarkt in Imatra und verliessen in Simpele die Hauptstrasse. Der Weg wurde immer schmaler bis wir plötzlich im Wald das Auto stehen liessen, unser Gepäck packten und zu Fuss zum Ufer des Sees Saarilampi marschierten. Ziemlich abgelegen, so wie wir es uns vorgestellt hatten. In einem kleinen Boot ruderten wir über den See auf die Insel Pihlajakari, so gross wie ein Volleyballfeld ungefähr. Entsprechend klein ist das Holzhaus in der Mitte der Insel (vielleicht 7 x 4 Meter), aber natürlich mit Sauna, wie es sich in Finnland gehört. Ein einfaches, aber sauberes Plumpsklo befand sich ausserhalb des Hauses. Nach ausgiebigem Saunieren und Abkühlen im See, grillierten wir unsere mitgebrachten Würste auf offenem Feuer und schauten der Sonne zu, wie sie langsam unterging. Den zweiten Tag verbrachten wir mit Lesen, Schlafen, Grillieren, Essen, Rudern, Schwimmen und wiederum ausgiebigem Saunieren. Die wunderbare Idylle hatte aber auch ihre Kehrseite: Nicht die erwarteten Mücken waren das Problem, sondern eine flächendeckende Kolonie von Ameisen, die uns permanent belästigte. Zwei Tage waren dann auch genug und ich muss zugeben, dass ich froh war, die Insel wieder verlassen zu können, da ich mich doch ziemlich eingeengt fühlte.

Als Kind lernte ich auf Finnisch von eins bis zehn zählen und habe es bis heute nicht verlernt (yksi, kaksi, kolme, neljä, viisi, kuusi, seitsemän, kahdeksan, yhdeksän, kymmenen). Dies ist aber auch bereits alles, was ich mir merken konnte. Vielleicht noch danke (kiitos) und Bier (olut). Ansonsten ist Finnisch nicht zu verstehen und in unseren Ohren genauso fremd wie Chinesisch oder Japanisch. Das einzig Einfache an der finnischen Sprache ist, dass man sie spricht, wie man sie schreibt.
«Als Gott den Mann erschuf, übte sie nur» lässt sich leider nicht ins Finnisch übersetzten, da es in der finnischen Sprache kein grammatikalisches Geschlecht gibt. Das finnische Wort für er und sie ist dasselbe: hän (aus Gebrauchsanweisung für Finnland von Roman Schatz). Den meisten Finninnen und Finnen ist bewusst, dass sie kaum jemand versteht. Deshalb lernen und sprechen die meisten gut Englisch, was die Verständigung ungemein vereinfacht.

Nach beinahe 14 Tagen Sonnenschein und warmen Temperaturen, gab es den ersten Regentag, den wir aber grösstenteils auf der Strasse verbrachten. Und am Abend in Loviisa war es bereits wieder trocken. Baden konnten wir dennoch nicht mehr, weil Blaualgen dies verunmöglichten. Die letzten beiden Tage verbrachten wir wieder in Helsinki, wo wir unter anderem den Zoo auf der Insel Korkeasaari besuchten. Hier endlich sahen wir Elche, vor denen uns ständig gewarnt wurde. Am besten gefielen mir aber die Raubtiere, die vor meiner Fotokamera posierten, wie es den Eindruck machte. Rentierfleisch schmeckt wie Rehpfeffer. Also nicht mein Favorit. Dennoch war der Besuch eines typischen Restaurants aus Lappland ein gelungener Abschluss unserer Finnlandreise.

Weitere Fotografien sind auf meinem Flickr-Account zu sehen

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