June 16, 2012 / erstellt am:  July 11, 2012
Reise, Ferien, Spanien

Tagebuch einer kurzen Rundreise durch Andalusien

Dem Alltag entfliehen. Die Routine unterbrechen. Das Bekannte und Vertraute verlassen. Den Tagesablauf selber bestimmen. Auch wenn es nur für eine Woche ist. Nicht unbedingt um zu entspannen oder auszuruhen. Um etwas anderes zu erleben, etwas anderes zu sehen, um später etwas anderes erzählen und zeigen zu können. Das andere muss nicht neu sein, nur anders. Wirklich neu ist selten etwas. Oder vielleicht doch nur weil man es so tut. Weil es dazu gehört, weil es alle tun?

Kurzentschlossen mit der Absicht Freunde zu besuchen einen Flug nach Malaga und ein Mietauto per Internet gebucht. Koffer gepackt mit dem Nötigsten und einem GPS und einem iPad. So reist man heute. Vernetzt und online. Das GPS weisst den Weg, das iPad liefert die Informationen zu Unterkünften und Sehenswürdigkeiten. Noch das kleinste Hostal bietet in Spanien kostenloses WLAN. Oder einfach drauflos, der eigenen Intuition folgend ohne lange im Internet zu recherchieren. Selber entdecken vor Ort mit der Gefahr ins Abseits zu geraten.

Fotogalerie mit 142 Impressionen der Reise

Samstag 16.06.2012
Flug Zürich Malaga (2 Std. 30 Min.)
Per Mietauto nach Marbella (130'549 Einwohner)
Hotel El Tio Mateo (50 Euro)
erstes Bad im Mittelmeer
Abendessen in der Altstadt (84 Euro)

Erster Halt in Marbella. Eher zufällig. Günstiges Hotel bereits am Vortag zu Hause gebucht. Wohltuend das erste Bad im Meer nach dem Flug und der ersten Autofahrt. Weder vom Charme des ursprünglichen Fischerdorfes noch vom Jetset des mondänen Küstenortes ist hier viel zu spüren. Der Spaziergang durch die engen Gassen der Altstadt lohnt sich. Zugegeben, ich bin ein heilloser Romantiker auf der Suche nach dem Ursprünglichen, dem Echten im Wissen, dass dies kaum noch existiert. Der Bildausschnitt könnte es richten. Das Unerwünschte weglassen, nicht beachten. So tun als ob es nicht existieren würde. Dem Kitsch verfallen. Den Betrachter täuschen. Widerspricht dem Anspruch von Authenzität. Dann doch das Unerwünschte bewusst miteinbeziehen. Als Kontrast, rein dokumentarisch. So ist es und nicht anders.

Die Küste am Mittelmeer zwischen Malaga und Gibraltar wurde dem Massentourismus geopfert und zugebaut mit mehr oder weniger hässlichen Hotels, Resorts und Gebäudekomplexen. Schwierig die schönen Stellen zu finden, trotz GPS und iPad. Also doch den touristischen Trampelpfaden folgend. Wir sind ja auch Touristen.

Sonntag 17.06.2012
Marbella - Gibraltar (28'956 Einwohner)
Affenfelsen mit Berbermakaken
Gibraltar - Tarifa (17'736 Einwohner)
Hostal Villanueva (50 Euro ohne Frühstück)
Playa Chica am Atlantik
Abendessen mit Fussball

Der Felsen von Gibraltar ist von weitem schon zu sehen. Die Stadt selber ist nichts Schönes. Nur speziell weil es zu Grossbritannien gehört und englisch gesprochen wird. Auch speziell gelegen auf einer Halbinsel und nur über eine Strasse erreichbar. Eine Strasse, die nach dem Zoll auch noch die Piste des kleinen Flugplatzes von Gibraltar überquert. Per Luftseilbahn auf den Berg mit wunderbarer Aussicht nach Spanien im Norden und Afrika im Süden. Beobachtet von den halbwild lebenden Affen, die Menschen gewohnt sind und auch von ihnen gefüttert werden. Spaziergang in der Mittagshitze zu den natürlichen Tropfsteinhöhlen und den von Menschenhand geschaffenen Tunnelanlagen, die zur Verteidigung im 18. Jahrhundert angelegt und später ausgebaut wurden. Die Hitze am Nachmittag wurde unerträglich und so waren wir froh als wir das Auto mit Klimaanlage bald wieder erreicht hatten.

Die vielen Windräder auf der Bergkuppe hätten im Gegenlicht der Abendsonne ein gutes Motiv zum Fotografieren gegeben. Aber wir sind weitergefahren zum südlichsten Punkt Spaniens. In Tarifa endlich ein authentisch wirkendes Städtchen gefunden. Auch vom Tourismus lebend aber noch mit einer intakten Altstadt und einem Hafen mit der Fähre nach Marokko. Von hier sind es nur 14 Kilometer bis zum benachbarten Kontinent, den wir jedoch nur aus Entfernung sahen, am Strand liegend am etwas kühleren Atlantik. Hier hätte ich es noch etwas länger ausgehalten, aber nach dem Abendessen mit Fussball (Portugal gegen die Niederlande und Deutschland gegen Dänemark) sollte die Reise am nächsten Tag weitergehen.

Dieses rastlose Herumzigeunern, von einem Ort zum andern, nie lange bleibend ist ein wunderbarer Kontrast zum Sesshaften, zur alltäglichen Routine. Sich nicht auf einen Ort wirklich einlassen, nie ankommen, immer weiter. Oberflächlich vielleicht, aber verbunden mit einem Gefühl von Freiheit.

Montag 18.06.2012
Tarifa - Vejer de la Frontera (weisse Felsenstadt)
Barbate (nix schönes)
Playa El Palmar (sehr schön)
Weiterfahrt nach Conil de la Frontera (21'664 Einwohner)
Hostal Santa Catalina (45 Euro ohne Frühstück)
Abendessen mit Fussball (60 Euro)

Weiter ging die Reise entlang der weniger bebauten Atlantikküste mit Zwischenhalt in Vejer de la Frontera, einer idyllischen Felsenstadt bestehend aus lauter weiss gekalkten Häusern. Angeblich soll es mehrere solche weissen Orte geben. Hat etwas Kulissenhaftes. Stehen unter Denkmalschutz und werden rege von Touristen besucht.
Die Stadt Barbate mit der Fischkonservenfabrik und dem dazugehörigen Museum kann man sich ersparen. Hingegen die Fahrt durch den Nationalpark mit den Pinienwäldern und den kilometerlangen Stränden entlang der Costa de la Luz sind wunderbar. Für eine kurze Abkühlung im Meer haben wir uns für den Playa El Palmar entschieden mit anschliessendem Eiskaffee (café con hielo) in der Strandbar.

Auch der kleine überschaubare Badeort Conil de la Frontera gehört zu den Pueblos Blancos, ein ehemaliger Fischerort  mit einem langen Sandstrand, Strandpromenade und einer autofreien Innenstadt. Schnell war ein günstiges und zentralgelegenes Hostal gefunden. Nach einem Spaziergang durch die verwinkelten Gassen liessen wir uns zu Mojito de Fresa und einem weiteren EM-Fussballspiel (Spanien gegen Kroatien) überreden. Wir freuten uns mit über den Sieg der spanischen Mannschaft.

Dienstag 19.06.2012
Conil de la Frontera - Cadiz (127'200 Einwohner)
Kathedrale, Markt und Torre Tavira mit Camera Obscura
Playa de la Ballena
Chipiona (18'860 Einwohner)
Playa de Regla
Hostal Rompeolas (40 Euro)
Langes Suchen eines Restaurants zum Essen (36 Euro)

Plötzlich besuchen wir alte Kirchen, auch wenn wir sonst nie Kirchen besuchen, schon gar nicht sonntags zur Predigt. Wir lesen ihre Geschichten von maurischer Vergangenheit, die so gar nichts mehr mit uns zu tun haben. Die Erziehung zum Bildungsbürger macht sich bemerkbar. So auch in der Kathedrale von Cadiz. Wobei es uns vor allem die herrliche Aussicht auf dem Kirchturm angetan hatte. Von hier kann man die ganze historische Altstadt überblicken, welche vom Meer umgeben ist, da sie auf einer engen Landzunge in der Meeresbucht von Cadiz gebaut wurde. Fast noch eindrücklicher ist die Aussicht vom Torre Tavira (www.torretavira.com) mit eingebauter Camera Obscura. Sie projiziert farbige Bilder der umliegenden Strassen in Echtzeit auf eine weisse Leinwand, die sich im Zentrum eines schwarzen Raumes befindet. Extrem simpel, aber dennoch faszinierend. In der Markthalle faszinierte vor allem das reichhaltige Angebot an Fischen und Meeresfrüchten, von denen wir die wenigsten kannten. Keine Meeresfrüchte sondern Nektarinen gekauft und im ruhigen Stadtpark gegessen.

Die Bucht von Cadiz umfahrend ging es weiter entlang der Atlantikküste. Hier entstanden riesige Ferienresorts, was uns nicht davon abhielt am Playa de la Ballena ins Meer zu springen, obschon uns die Wasserqualität hier weniger überzeugte als zuvor.
An der Mündung des Flusses mit dem unaussprechbaren Namen steht ein Leuchtturm. Mit 69 Metern ist es der höchste Leuchtturm Spaniens und einer der höchsten weltweit. Er weisst nicht nur Schiffen den Weg sondern auch uns ins Städtchen Chipiona. Noch hat die Hochsaison nicht begonnen. Das Städtchen wirkt wie ausgestorben. Nur gerade eine Strasse ist belebt. Einfach eine günstige Unterkunft für eine Nacht, aber umso schwieriger abends ein Restaurant zum Essen zu finden, wenn man nicht ganz alleine in einem Lokal sitzen will.

Mittwoch 20.06.2012
Chipiona - Sevilla (699'759 Einwohner)
Hostal La Muralla (40 Euro plus 10 Euro für Parkgarage)
Catedral de Sevilla mit Giralda (Turm)
Stierkampfarena
am Fluss Guadalquivir
im Park Maria Luisa
Essen in Las Teresas (43 Euro)

Trotz sommerlicher Temperaturen entscheiden wir uns, den Atlantik zu verlassen und ins Landesinnere zu fahren Richtung Sevilla. Das Stadtzentrum liegt am Fluss mit dem unaussprechbaren Namen und besteht aus einem Labyrinth von engen Strassen. Die Strassen können noch so eng sein, die Spanier befahren sie garantiert mit dem Auto, auch wenn sie in den Kurven zum Teil zweimal ansetzen müssen. Ist man zu Fuss unterwegs wird man gezwungen mit einem Sprung in einen Hauseingang auszuweichen. Angeblich soll hier im Sommer das Thermometer öfters über 40°C steigen. Somit zählt Sevilla zu einer der heissesten Städte Europas. Angenehm kühl war es hingegen wiederum in der Kathedrale, mit 130 Meter Länge und 83 Metern Breite eine der Grössten weltweit. Eine Superlative nach der anderen oder doch nur geschicktes Marketing der lokalen Tourismusbehörde? So soll auch die Stierkampfarena eine der Schönsten Spaniens sein.

Unter dem Deckmantel von Kunst und Kultur wird hier unnötige Tierquälerei betrieben. Der Stier hat keine Chance, sein Schicksal ist besiegelt. Der Torero, der seinen heldenhaften Mut beweist, wird triumphieren, was lächerlich wirkt in Anbetracht der Chancenungleichheit. Trotz grossem Respekt vor der Kreatur und langer Tradition, bleibt es ein blutrünstiges Spektakel, welches zum Glück an Bedeutung verloren hat, auch in Spanien, dem Heimatland der corrida de toros.

Eine grosse Stadt zu Fuss entdecken macht müde Beine. Etwas Schatten und Erholung gibt es am Fluss Guadalquivir und im Park Maria Luisa. Ich will mich nur noch irgendwo hinlegen und ausruhen. Im touristischen Vorzeigeviertel Santa-Cruz mit seinen malerischen Gässchen erwartet man so einige Touristenfallen. Dennoch gut und günstig gegessen in der traditionellen Taverne Las Teresas.

Donnerstag 21.06.2012
Sevilla - Granada (236'988 Einwohner)
Puerta de Elvira (Treffpukt mit Frank und Jelle)
Calle Bravo (bei Frank und Jelle)
Nigüelas (1'132 Einwohner)

Das Gelände der ehemaligen Weltausstellung Expo 92 wirkt verlassen und verlottert. Die Ausstellung hinterliess eine hohe Verschuldung und viele Bauten wurden hinterher wieder abgerissen oder stehen heute leer. Nur im symbolischen Mittelpunkt, einem ehemaligen Kartäuserkloster hat sich das Kunstmuseum einquartiert (www.caac.es). Schöne Räume aber der falsche Zeitpunkt. Nur zwei Ausstellungen von José Soto und Fiona Tan waren geöffnet.

Überlandfahrt von Sevilla nach Granada vorbei an riesigen Olivenbaumplantagen und Sonnenblumenfeldern. Kaum Verkehr auf den gut unterhaltenen Strassen. Und dann kurz vor Granada an einem schrecklichen Autounfall vorbei gefahren. Ob sie wohl überlebte? Ein Bild, dass sich einprägte, auch wenn ich es gerne vergessen würde.
Treffpunkt an der Porta Elvira und Weiterfahrt nach Nigüelas, einem kleinen Dorf 28 Kilometer von Granada entfernt. Hier entsteht das neue Haus von Frank und Jelle. Schön wird’s, aber noch ist es eine Baustelle. Vorerst wohnen sie noch mitten in der Altstadt von Granada. Für Insidertipps ist es immer gut jemanden vor Ort zu kennen zum Beispiel um gut essen zu gehen. Wein bestellt und Tapas gegessen. Der Schinken hängt an der Decke, die Bodega ist gut gefüllt, die angestellten Kellner haben alle Hände voll zu tun.

Freitag 22.06.2012
Granada Alhambra

Die Alhambra ist eine der meistbesuchten Touristenattraktionen Europas und seit 1984 Weltkulturerbe. Aufgrund der grossen Nachfrage und der begrenzten Tageskapazität wird empfohlen die Eintrittskarten im Voraus online zu buchen, was wir natürlich nicht getan haben. Im Halbstundentakt werden die Touristen ins Innere der monumentalen Burganlage geschleust. Wer zu spät kommt, dem verfällt seine Eintrittskarte. Touristische Massenabfertigung mit strengen Regeln. Der Andrang war nicht besonders gross an diesem Tag, dennoch haben wir auf den Eintritt verzichtet und uns nur mit den Gartenanlagen und der schönen Aussicht begnügt. Irgendwie vergeht einem auch die Lust am Fotografieren, wenn alle anderen gleichzeitig das selbe fotografieren. Welche Datenmenge an digitalem Bildmaterial wird wohl täglich nur mit Fotografien der Alhambra produziert? Die schönsten Fotografien der Alhambra entstehen übrigens bei Sonnenuntergang  vom gegenüberliegenden Hügel bei der Kirche San Nicolas mit den schneebedeckten Bergen der Sierra Nevada im Hintergrund.

Samstag 23.06.2012
Granada - Nerja (22'294 Einwohner)
letztes Bad im Mittelmeer
Torrox Costa (16'395 Einwohner)
Hotel Torre Arena (57 Euro mit Frühstück)

Der Sinn und Zweck einer Siesta wurde uns bei 36° C mittags bewusst, weil jede Bewegung bei dieser Hitze unerträglich wird. So haben wir uns entschieden der Hitze zu entfliehen und zusammen mit Frank und Jelle nach Nerja ans Mittelmeer zu fahren. Letzte Möglichkeit um noch einmal im Meer zu baden. Ausgerechnet an diesem Samstag gab es das grosse Fest „Noche de San Juan“, welches in ganz Spanien zum Sommerbeginn gefeiert wird. Bereits am Nachmittag stellen die Spanier ihre Zelte am Strand auf um hier zu feiern und anschliessend zu übernachten. So dauerte es am Abend etwas länger, bis wir einen freien Tisch in einem Restaurant an der Strandpromenade fanden. Die Festlaune wurde noch durch den Sieg Spaniens gegen Frankreich an der EM gesteigert. Angeblich springen um Mitternacht alle Spanier ins Meer, was wir aber leider verpassten, weil wir mit der Suche eines Hotelzimmers beschäftigt waren, denn auch alle Hotels im Ort waren ausgebucht und es dauerte ziemlich lange bis wir um 2.00 Uhr in Torrox Costa noch ein freies Zimmer für die letzte Nacht vor der Heimreise finden konnten.

Sonntag 24.06.2012
Torrox Costa - Malaga (561'250 Einwohner)
Heimflug (ca. 2 Std. 15 Min.)

Eine Woche in Andalusien war natürlich viel zu kurz und so mussten wir auf einiges verzichten. Um noch einen Tag länger am Meer zu bleiben haben wir zum Beispiel Cordoba nicht besucht und auch von Malaga sahen wir nur den Flughafen. Aber bestimmt, werden wir Andalusien wieder bereisen, schon nur um das fertigumgebaute Haus in Nigüelas zu sehen. Dass Spanien erneut Fussballeuropameister wurde, stellte sich erst einige Tage nach der Heimreise heraus. Felicitacion.
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