July 18, 2019 / erstellt am:  September 28, 2019
Reise, Ferien, Schottland

Viel Kultur und Natur in Schottland

Der Hitze entfliehen, in den Norden flüchten. Und es war tatsächlich etwas kühler in Schottland. Allerdings, wenn die Sonne hervorkam wurde es dennoch angenehm warm, auch wenn es beinahe jeden Tag ein wenig regnete. Warmer Regen. Sommerregen. Immer nur kurz. Aber das kennt man ja von Schottland.

Sechs Stationen zum Übernachten haben wir diesmal bereits im voraus gebucht. Angeblich soll es im Sommer ziemlich ausgebucht sein, was teilweise auch gestimmt hat. Vielerorts las man «No Vacancies». Das Vorausbuchen ersparte uns viel Zeit beim Suchen einer Unterkunft. So war unsere Reiseroute mit dem Mietauto (Fiat 500) vorgegeben und liess nur noch wenig Spielraum für spontane Abstecher.

Edinburgh - Wilkieston - St Andrew - Dundee - Blair Atholl - Inverness - Ullapool - Stoer - Handa - Loch Ness - Fort William - Tyndrum - Loch Lomond - Glasgow - Edinburgh

Reisen ist immer ein Abenteuer. Vor allem wenn etwas nicht so klappt, wie es sollte. Zu Beginn funktionierte unser Navi wie gewohnt und brachte uns an unser Ziel. Doch plötzlich machte es keinen Wank mehr. Konnte keine Verbindung mit dem Satelliten herstellen. Rotierte endlos während wir bereits losgefahren sind. Man fühlt sich ziemlich verloren in unbekannter Umgebung in einem fremden Land. Soll man nun links oder rechts abbiegen? Den Linksverkehr nicht vergessen. Eine Landkarte hatten wir natürlich keine dabei. Aber zum Glück gibt es smartphones.

Bildung muss für alle zugänglich sein. Darum ist wohl der Eintritt in die meisten Museen in Schottland gratis. Nur bei gewissen Sonderausstellungen musste man Eintritt bezahlen. Dementsprechend sind die meisten Museen gut besucht. Bestimmt auch weil man im Museum dem Regen entfliehen kann. In den grossen Museen könnte man Stunden verbringen und so einiges entdecken. Auch die unzähligen Schlösser und Burgen in Schottland sind eigentlich nichts anderes als Museen, die über die Geschichte und das Leben in Schottland erzählen. Es versteht sich von selbst, dass man eine Auswahl treffen muss.

Nelson Monument, Edinburgh
Scottish National Portrait Gallery, Edinburgh
Scottish National Gallery of Modern Art, Edinburgh
Scottish National Gallery, Edinburgh
Stills, Centre for Photography, Edinburgh
National Museum of Scotland, Edinburgh
Holyrood Palace, Edinburgh
Jupiter Artland, Wilkieston
Victoria & Albert Museum, Dundee
Dundee Contemporary Arts
McManus Galleries, Dundee
Verdant Works, Dundee
Blair Castle, Blair Atholl
Loch Ness Centre and Exhibition, Drumnadrochit
West Highland Museum, Fort William
Hunterian Museum and Art Gallery, Glasgow
Kelvingrove Art Gallery and Museum, Glasgow
Riverside Museum, Glasgow
The Lighthouse, Glasgow
Gallery of Modern Art, Glasgow
Centre for Contemporary Arts, Glasgow

Mich festzulegen, welches Museum mir am besten gefallen hat, kann ich nicht. Zu unterschiedlich um sie zu vergleichen. Toll fand ich die Kunstausstellung in der «Scottish National Gallery» in Edinburgh mit Werken der britischen Künstlerin Bridget Riley. Schwierig zu sagen, was die Faszination dieser abstrakten Op-Art ausmacht. Vielleicht ist es die Konsequenz mit der die heute 88-jährige Künstlerin ihre Farbmuster exakt berechnet. Aber auch die Fotoausstellung von Linda McCartney im Kelvingrove Museum in Glasgow hat mir gut gefallen. Intime Einblicke in die Familie und hinter die Kulissen der Beatles. Der Skulpturenpark «Jupiter Artland», etwas ausserhalb von Edinburgh, war ein schönes Erlebnis. Die Arbeiten von Andy Goldsworthy zum Beispiel kannte ich bisher nur aus Büchern und aus dem Internet. Das überdimensionierte Gewehr angelehnt an einen Baum von Cornelia Parker gefiel mir am besten. Vor allem der Vermerk: possibly loaded. Etwas weniger gut gefallen haben mir die Ausstellungen im «Contemporary Art Museum» in Dundee und in der «Gallery of Modern Art» in Glasgow. Aber das weiss man im voraus ja nicht und vielleicht war ich nach dem dritten Museum am Tag nicht mehr so aufnahmefähig wie beim ersten.

Beginn und Endpunkt unserer Reise war Edinburgh. Nach Glasgow (620 000 Einwohner) die zweitgrösste Stadt und Hauptstadt Schottlands. Mit 520 000 Einwohnern wirkt sie von oben betrachtet sogar ziemlich überschaubar. Der Aufstieg zu «Arthur’s Seat» war nicht sehr anstrengend. Darum wandern viele Touristen auf den 251 Meter hohen Hausberg von Edinburgh. Trotz Gedränge auf dem Gipfel hat man eine wunderbare Aussicht über die Stadt, die Küste und das Umland.

Der Gestank der blühenden Titanwurz muss fürchterlich sein. Eine Mischung aus Kotze und Fäulnis soll Aaskäfer anlocken, die für ihre Bestäubung sorgen. Von der grössten Blume der Welt haben wir im botanischen Garten in Edinburgh nur eine geruchsfreie Fotografie gesehen. Ein Prachtsexemplar. Längst ist sie verwelkt. Auf Lateinisch heisst die selten blühende Pflanze Amorphophallus titanium, was so viel heisst wie: «unförmiger Penis des Titanen». Somit blieb uns ihr Gestank erspart. Dafür sahen wir viele andere Pflanzen. Heimische und exotische.

Zum Glück durfte man im «Holyrood Palace» in Edinburgh nicht fotografieren. Sonst hätte ich noch viel mehr Fotografien zum Nachbearbeiten nach Hause getragen. Nach strenger Auswahl waren es immer noch 400 Aufnahmen. Und zum Glück war die königliche Familie nicht anwesend. Sonst hätten wir die offizielle Residenz der britischen Königin in Schottland überhaupt nicht besuchen können. Trotz Rundgang durch die historischen Königsgemächer mit Audio-Guide konnte ich mir die Jahreszahlen und die vielen Namen der Könige und Königinnen, die hier lebten, nicht merken. Schön anzuschauen war es dennoch. Am besten gefielen mir die kleinen Anekdoten. So versah der niederländische Maler Jacob de Wet einigen Gesichtern in der grossen Gemäldegalerie mit markanten Knollnasen. Warum auch immer. Er malte ursprünglich 111 Porträts schottischer Monarchen für diesen Raum. Jede Woche ein Porträt ab 1684 über zwei Jahre lang. Eine Art Fliessbandarbeit. Durch fehlende Vorlagen sehen die Portraits alle ähnlich aus. Einige davon sind verschwunden und wurden zerstört. Im Nachhinein bin ich mir nicht sicher, ob die Anekdote mit den Knollnasen stimmt oder nicht, weil ich nichts davon im Internet fand. Genauso unsicher ist, ob Maria Stuart tatsächlich aus Langeweile gerne stickte. Irgendwie will Handarbeit nicht zu einer Königin passen, auch wenn behauptet wird, dass die Stickerei einer Katze von Maria Stuart sei.

Das erste Gefühl von Sommer hatten wir am Strand von St. Andrews. Lustig zu sehen wie zwei knusprige Jünglinge in Unterhosen ins Meer sprangen, weil sie wohl ihre Badehosen nicht dabei hatten und dennoch Lust ins Wasser zu springen. Obwohl St. Andrews als Heimat des Golfsports gilt, haben wir auf eine Partie verzichtet.

Die Stadt Dundee habe ich bei der Reiseplanung ausgewählt, weil dort 2018 ein neues Museum eröffnete. Ein Ableger des bekannten Victoria & Albert Museums in London. Der spektakuläre Bau wurde vom japanischen Architekten Kengo Kuma entworfen. Schon 2014 wegen der örtlichen Videospiel-Industrie, innovativer Krebsforschung und Comics-Produktion von der Unesco als «Design-City» geehrt, bekam Dundee sein eigenes Designmuseum.

Nach so viel Kultur war zur Erholung Natur angesagt. Die Highlands und die Küsten Schottlands bieten unzählige Möglichkeiten für ausgedehnte Wanderungen. Schnell ist man weg von jeglicher Zivilisation und begegnet nur noch Schafen in beeindruckender Landschaften und atemberaubender Natur. Kommt man vom Weg ab wird es schnell sumpfig. Ohne Landkarten und genügender Vorbereitung, haben wir auf längere Bergwanderungen verzichtet. Bei den Rogie Falls nordwestlich von Inverness sahen wir Lachse, die unermüdlich versuchten den Wasserfall hochzuspringen um an ihren Laichplatz zu gelangen. Ein weiteres Highlight war die Insel Handa ganz im Norden Schottlands. Ein beliebter Ort für Hobbyornitologen ausgerüstet mit Teleobjektiven, Feldstechern und Stativen. Und tatsächlich konnten wir neben tausenden anderer Vögel, die dort in grossen Kolonien nisten, Papageientaucher sehen und fotografieren. Die beiden Seehunde, die wir im Meer entdeckten, beobachteten uns, so wie wir sie beobachteten. Beim Blick aufs offene Meer mit blossem Auge konnten wir die springenden Delfine nicht erkennen. Erst durch ein starkes Fernglas sahen wir das schöne Naturschauspiel.

Natürlich liessen wir es uns nicht nehmen im Meer zu baden. Es war schliesslich Sommer. Auch wenn andere am Clachtoll Beach mit Neoplenanzug ins Wasser tauchten, kühlten wir uns nur mit Badehose bekleidet im Meer ab. Erfrischend war es tatsächlich. Am Balchladich Beach waren wir ganz alleine und konnten sogar nackt baden. Kein Exhibitionismus. Es war ja sonst niemand da. Sondern ein Gefühl von Freiheit. In der Dämmerung und bei Windstille wurden wir überfallen von tausenden von kleinen Mücken. Sogenannte «midges». Die Weibchen stechen nicht, sondern beissen und saugen Blut. Sie brauchen Protein für die spätere Ei-Ablage. Unser Anti-Mücken-Mittel haben sie ignoriert und so wurden wir regelrecht aufgefressen. Das schlimmste war, dass der Juckreiz noch nach einer Woche zu spüren war, vor allem wenn man immer wieder die Wunden aufkratzte. Auf der Website der «Scottish Midge Forcast» wird tagesaktuell berichtet wo die lästigen Viecher am häufigsten auftreten.

Neben Englisch wird im Norden vieles auch auf Gälisch angeschrieben. Ob diese alte keltische Sprache tatsächlich heute noch gesprochen wird, konnten wir nicht herausfinden. Das Sommerfest der Dorfgemeinschaft bei Stoer wurde als «ceilidh» bezeichnet. Ein gälisches Wort für geselliges Zusammensein mit Musik, Tanz und Gesang. Man könnte es auch Sauna nennen. Die meisten Anwesenden waren Zugezogene, so wie unsere beiden Schweizer Gastgeber Christian und Eric.

Auf der Weiterreise kamen wir am Loch Ness vorbei. Das Monster von Loch Ness haben wir nicht gesehen. Dennoch muss ich etwas verwirrt gewesen sein, als ich in der Herrentoilette vom Restaurant Loch Lomond Arms in Luss ein Mitbringsel für eine Freundin liegen liess.

Der Besuch einer Destillerie gehört einfach dazu, wenn man nach Schottland reist, auch wenn man Whisky nicht besonders mag. Es gibt unzählige davon und es erstaunt, dass sie alle überleben können. Wir entschieden uns für die Destillerie von Glengoyne nördlich von Glasgow. Hier wird qualitativ hochstehender Whisky destilliert. Von der fachkundigen Führung habe ich leider nur wenig verstanden. Der schottische Akzent im Englisch hört sich zwar lustig an, ist aber schwierig zu verstehen. Ein Besuch einer Whisky-Brennerei macht aus einem Banausen noch keinen Experten.

Man kann nicht alles wissen. So wusste ich zum Beispiel nicht, dass der berühmte Jugendstil-Bau der «School of Art» in Glasgow zweimal einem Brand zum Opfer fiel. Das Gebäude wurde von 1897 bis 1909 nach Plänen des schottischen Architekten Charles Rennie Mackintosh errichtet. Vom ersten Brand am 23. Mai 2014 hatte ich gelesen. Dass es aber ein zweites Mal brannte (am 15. Juni 2018) kurz vor der Wiedereröffnung nach den Renovationsarbeiten, wusste ich nicht. So standen wir vor einer grossen Baustelle und bewunderten die Baugerüste. Bisher ist noch nicht entschieden, ob das Gebäude wieder aufgebaut werden kann. Experten fürchten, dass es nicht gerettet werden kann, weil grosse Teile der Ruine instabil sind.

Im Museum «The Lighthouse» besuchten wir eine permanente Ausstellung über die Arbeiten von Charles Rennie Mackintosh. Das ehemalige Wohnhaus von Charles Rennie Mackintosh wurde in den 1960er Jahren abgerissen um für die wachsende Universität Platz zu schaffen. An der selben Stelle wurde das Gebäude mit modernen Materialien nachgebaut und zum Museum umfunktioniert mit Original-Holzarbeiten und Original-Möbeln von Charles Rennie Mackintosh. Mir gefällt der geometrische Jugendstil, der sich durch strenge und gerade Linienführung und zurückhaltende Farbgebung auszeichnet.

Gut und günstig haben wir in typischen Pubs gegessen. Etwas teurer aber auch sehr lecker waren indisches, japanisches und persisch Essen in den Städten Edinburgh und Glasgow. Ein schottisches Frühstück unterschiedet sich von einem englischen Frühstück durch die Beigabe von sogenannten «Haggis». Eine schottische Spezialität bestehend aus dem Magen eines Schafes, der mit Herz, Leber, Lunge, Nierenfett vom Schaf, Zwiebeln und Hafermehl gefüllt ist. Ich habe dankend darauf verzichtet.

Wir haben nur einen kleinen Teil von Schottland gesehen. Aber was wir gesehen haben, hat uns gut gefallen. Gut möglich, sogar ziemlich sicher, wird es nicht das letzte mal gewesen sein, dass wir Schottland besuchten. Ein letzter Satz allerdings, den ich jedesmal schreibe, wenn wir aus den Ferien zurück sind.

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