January 14, 2005 / erstellt am:  January 9, 2008
Theater, Video / Bewertung: 7

Ein Erfahrungsbericht zur visuellen Umsetzung

Es sind die vielen kleinen Problemchen, die beim Umsetzen von Ideen, welche in der Phantasie natürlich bestens funktionieren, das ganze Projekt erst interessant machen. Um es theaterentsprechend dramatisch zu formulieren: Ich befand mich auf einer Gratwanderung zwischen Heraus­forderung und Überforderung.

Der erste Versuch schlug fehl. Ob es an Thereses Ausdauer lag oder an einem leeren Akku der Video­kamera oder doch eher am ausgiebigen Weinkonsum beim Warten aufs Einnachten?

Nein, es lag daran, dass die Augenhöhe eines dahertrampelnden Nas­horns nicht auf menschlicher Augen­höhe liegt. So mussten wir die Fotosession für das Titelbild der «Nashörner» zweimal in Angriff nehmen. Wir packten das leicht manipulierte Verkehrs­schild und stellten uns an einer ausgewählten Stelle an die Strasse. Die Nachtsicht­funktion der Kamera lieferte die besten Bilder genau beim Eindunkeln – das heisst, wir hatten nur ungefähr eine halbe Stunde Zeit für die geplante Aktion. Die Kommentare der Passanten habe ich übrigens überhört.
 
Die Verfolgung von Frau Ochs (Therese von Gunten) durch Belp bis zum Theatersaal sollte auch zu einem Videothema werden. Dass man beim Rennen ins Schwitzen kommen könnte, habe ich mir im Voraus jedoch nicht überlegt. Die anschliessende Erkältung strafte mich um­ge­hend.
 
Wo Nashörner sind, sind auch Fliegen. Das nervige Herumgesurre von Fliegen an einer Fensterscheibe schien mir optimal zur Darstellung einer gespannten Atmosphäre. Und die Fliegenklatsche am Schluss bringt zwar Ruhe, ist aber für die Fliege natürlich eine Katastrophe – denn sie ist tot. Übrigens weiss ich jetzt, dass sich eine Fliege nicht dressieren lässt.
 
Für ein perfektes «Morphen» vom Menschenkopf zum Nashornkopf gibt es passende Computer-Software. Wenn man die jedoch nicht auftreiben kann, bleibt einem nichts anderes übrig, als die aufwändige Einzelbildretouche für fünf Sekunden Film.
 
Während sich ein Mensch in ein Nashorn umwandelt, kocht und brodelt es in ihm – stell ich mir vor. Genauso wie es die Tomatensauce in der Pfanne tut. Fällt die Pfanne mit Inhalt auf den Boden, hört das Brodeln auf, dafür entsteht eine riesige Sauerei in der Küche. Aber Spass hat's trotzdem gemacht. Übrigens ist Tomatensauce ziemlich heiss, wenn man sie aufkochen lässt – eigentlich logisch – musste ich aber trotzdem erst schmerzlich erfahren.
 
Natürlich bin auch ich ein Nashorn. Manchmal mehr und manchmal weniger. Manchmal bin ich auch ein Hornochse – aber darum geht es jetzt nicht!
Wir alle sind Nashörner, manchmal mehr und manchmal weniger. Wenn das «Nashornwerden» zur Metapher für Anpassung oder Mitmachen bei Mode­strömungen wird, kann das Thema uferlos werden. Uferlos passt gut zur Informationsflut, der wir tagtäglich scheinbar wehrlos ausgeliefert sind. So entstand ein wilder Bilderreigen mit 250 Einzelbildern und 30 Kurzfilmsequenzen, der ebenso gut die wirren, uferlosen Ge­danken eines Wahnsinnigen sein könnte. Die Schwierigkeit dabei war, nicht zeigfingermässig moralisch oder wertend zu werden oder in die uferlose Beliebigkeit abzudriften.
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