September 6, 2014 / erstellt am:  August 9, 2014
Fotografie, Ausstellung / Bewertung: 10

«bzw.» - ein Fotografieprojekt

Aller Zweifel und Bedenken zum Trotz habe ich mich nun also entschieden, einige Fotografien meiner bisherigen Arbeit unter dem Titel «beziehungsweise» auszustellen. Im Rahmen einer Gruppenausstellung vom 06. - 14.09.2014 im Schlosskeller in Fraubrunnen, wo ich aufgewachsen bin. Im Zentrum steht meine Suche nach guter Fotografie und die Frage, was mich daran interessiert.

Es liegt in der Natur der Fotografie, dass jede Aufnahme an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit und in einem bestimmten Kontext entsteht. Ort, Zeit und Kontext sollen aber keine Bedeutung erhalten um die Konzentration nur auf das Abgebildete und seine Darstellung zu lenken. Diese Loslösung von Ort, Zeit und Kontext wird noch verstärkt durch die Gegenüberstellung verschiedener Aufnahmen, die (mit einer Ausnahme) weder örtlich, zeitlich oder kontextuell etwas miteinander zu tun haben. Dadurch verlieren die Aufnahmen ihren dokumentarischen Charakter und es entstehen auf formaler oder inhaltlicher Ebene assoziative Verbindungen, die neue Aussagen hervorbringen.

Ich habe mich immer schwer getan zu einem bestimmten Thema zu fotografieren, weil ich mich dadurch eingeschränkt fühle. Weil durch ein Thema die Fotografie schnell dokumentarisch werden kann. Ich habe nichts gegen dokumentarische Fotografie einzuwenden, mich interessiert aber mehr, was abgesehen davon mit Fotografie möglich ist. Losgelöst von Ort, Zeit und Kontext interessiert mich, was gute Fotografie ausmacht und wann Fotografie zur Kunst wird.

Es ist mir bewusst, dass Ort, Zeit und Kontext durchaus wichtiger Bestandteil guter Fotografie sein kann. Und auch ich lasse mich dadurch verführen. Es gibt einerseits Orte, die sich besonders gut dafür eignen um gute Fotografien zu erhalten. Andererseits gibt es Orte, wo man keine gute Fotografie erwarten würde und umso überraschter ist, wenn dies dennoch gelingt. Der Zeitpunkt einer Aufnahme spielt oft nur für mich persönlich eine Rolle, weil durch die Aneinanderreihung eine Art Bildtagebuch einsteht und mich an vergangene Zeiten erinnert. Diese Erinnerungen sind jedoch nur für mich persönlich relevant, weil nur ich zu dieser Zeit an diesem Ort war und den Kontext kenne. Der Kontext erschliesst sich dem Betrachter nur selten von alleine und dieses Wissen kann der Fotografie durchaus einen noch anderen, vielleicht tieferen Gehalt geben.

Grundsätzlich könnte man alles fotografieren bzw. alles Sichtbare könnte man fotografieren. Und dennoch fotografiere ich nicht alles. Ich suche das Besondere, das Aussergewöhnliche, das Spektakuläre im Unspektakulären. Im besten Fall suche ich nach Bildern, die ich noch nicht gesehen habe. Und weil dies in der heutigen Bilderflut beinahe unmöglich ist, lasse ich nur ganz wenige Aufnahmen gelten bzw. halte nur ganz wenige Aufnahmen würdig eingerahmt und ausgestellt zu werden, was mich nicht davon abhält, dennoch viel zu fotografieren.

Erst nachträglich bei der Auswahl der Fotografien lasse ich mich durch gewisse Themen leiten um nicht der völligen Beliebigkeit ausgeliefert zu sein. Eine rein zufällige Auswahl und Anordnung würde mich davon entheben thematisch vorgegangen zu sein. Aber noch dann verlangt jede Auswahl nach Kriterien, die im nachhinein jedoch anders ausfallen als wenn ich nach bestimmten Kriterien beabsichtige zu fotografieren. Ich gehe bei der nachträglichen Auswahl und Gegenüberstellung assoziativ vor mit der Annahme, dass der Betrachter und die Betrachterin gleich oder ähnlich assoziieren und steigere mich in die These, dass durch die Gegenüberstellung neue Aussagen entstehen sollen. Eine Behauptung, deren Wahrheitsgehalt zu überprüfen wäre. Assoziationen bieten den Vorteil, dass sie nie falsch sind.

Das Unangenehme, aber Unausweichliche einer Fotografie ist, dass sie auch immer etwas über den Fotografen aussagt. Warum hat er diese Fotografie gemacht? Was will er uns damit sagen? Warum hat er diese Auswahl getroffen? Welches Bild will er von sich selber geben? Dem Versuch, sich selber interessant zu machen, haftet etwas Eitles an. Damit muss ich wohl leben, wenn ich meine Fotografien ausstellen will.
Wer sich profiliert kann auch kritisiert und besonders bei einer Gruppenausstellung verglichen werden. Kann ich damit umgehen? Kann ich Kritik annehmen und von wem? Will ich diese Kritik überhaupt hören? Dies sind einige Zweifel und Bedenken, die mich jedoch nicht davon abhalten, mich dieser Herausforderung zu stellen.

Gute Fotografie entsteht nicht nur da, wo man sie erwarten würde. Aber was macht gute Fotografie überhaupt aus? Eine Frage, die mich bereits seit längerem beschäftigt und auf die ich hoffentlich nie eine Antwort finden werde.
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