May 25, 1998 / erstellt am:  December 26, 2007
Schülerzeitschrift, Schule / Bewertung: 3

Wie schön Schule doch sein kann!

Eigentlich gehe ich ganz gerne zur Schule. Jeden Tag lerne ich wieder neue und interessante Sachen aus den verschiedensten Gebieten kennen. Ich kann mich in ein Thema vertiefen, Fragen stellen und erhalte dann meistens Antworten, die meine Gedanken ergänzen. Durch Diskussionen mit den Mitschülern werden viele interessante Informationen übermittelt. Jeder kann sich seine Meinung bilden zu Problemen, die besprochen werden. Besonders gerne mag ich Filme, die wir zum aktuellen Stoff anschauen können und uns abstrakte Themen mit konkreten Beispielen verständlicher näher bringen. Und wenn ich mich in ein Themengebiet richtig hineingearbeitet habe, macht es mir auch nichts aus, es für eine Probe zu lernen. Denn durch das Lernen entstehen immer wieder neue Fragen und Probleme, die es zu lösen gilt. 

Aber eben, das tönt alles so schön und gut. Das wäre es wahrscheinlich auch, wenn nicht dieser ständige Leistungsdruck wäre. Der Schüler lernt nicht mehr aus eigenem Interesse am Stoff, sondern aus dem Druck gute Noten zu machen. So wird auch alles bewertet. Jeder will in der Stunde möglichst gute Fragen stellen, um dem Lehrer um die Nase zu schleimen. Nur gut auffallen, sich profilieren zählt - es gibt schliesslich eine bessere mündliche Note, die den Notendurchschnitt heben kann. Die Aufgaben bestehen beinahe nur noch darin, Proben zu büffeln. Der Schüler wird zur «Leistungsmaschine». Er stopft viel Wissen in seinen Kopf, schreibt dann eine Probe dazu und vergisst dann vieles wieder, weil er wieder Platz schaffen muss für neuen Stoff. Der Schüler wird zum unsozialen Egoisten. Jeder schaut für sich, das Gesellschaftsdenken wird unterdrückt. Es entsteht ein schlechtes Klima in der Klasse. Jeder vergleicht seine Noten mit jedem. Im Kopf bastelt sich jeder eine Rangliste. Der Beste, der mit den besten Noten, ist auf dem ersten Rang und der Schlechteste, «der Dümmste» auf dem letzten. Machtkämpfe entstehen, jeder will besser sein als der Beste, und die wahren Werte, wie Charaktereigenschaften oder die Fähigkeit, fair mit der Umwelt und den Mitmenschen umzugehen, werden zweitrangig. So ist es manchmal nicht einmal erfreulich, wenn ich eine gute Note zurückbekomme, weil ich dann von meinen Mitschülern beneidet werde und das will ich ja auch nicht. Denn mir geht es genauso: Wenn ich schlechte Noten erhalte, beneide ich diejenigen mit den besseren Noten. Darum will ich es gar nicht mehr wissen, welche Noten meine Mitschüler haben und teile meine Noten auch nicht jedem mit. Und überhaupt, was sagt so eine Note schon aus? Sie ist eine subjektive Bewertung der momentanen Leistung und hat mit Intelligenz überhaupt nichts zu tun. 

Ich ärgere mich oft über die Noten, nicht nur wenn ich schlechte erhalten habe, sondern weil sie oft ungerecht und willkürlich vom Lehrer verteilt werden. Die Lehrer wehren sich zwar, jeweils mit ausführlichen Reden über Notenskalen und Bewertungsstrukturen gegen solche Vorwürfe. Trotzdem bleibt eine schlechte Stimmung und ein ich-fühle-mich-ungerecht-behandelt-Gefühl. Der Schüler ist am kürzeren Hebel und hat die Entscheidung in Sachen Notengebung allein dem Lehrer zu überlassen. Alles spricht gegen diese verhassten Noten und trotzdem gibt es Anstosspunkte, wenn man sich eine Schule ohne Noten vorstellt. Wäre der Schüler dann nicht zu faul zum Lernen, weil ihm eine gewisse Motivationsspritze fehlt? Wäre er dann noch bereit, überhaupt Zeit zum Lernen zu opfern? Liegt es nicht vielleicht sogar in der Natur des Menschen, dass er bewertet werden will für Leistungen, die er vollbracht hat? Hat nicht jeder Freude, wenn er gelobt wird und spornt es nicht jeden an ehrgeiziger zu werden, wenn er getadelt wird? Doch ich finde, diese Bewertung muss nicht mit blossen Zahlen geschehen. Ist also eine Schule ohne Noten eine reine Utopie? Ich finde nicht. Eine Alternative wäre zum Beispiel die Bewertung mit Worten. Nicht schriftlich, denn Gelesenes kann sehr oft unterschiedlich verstanden werden. Nein, im Gespräch könnte der Lehrer die Leistung des Schülers bewerten. Ein Vorteil für den Schüler wäre zugleich, dass er sich gegen Irrtümer oder Ungerechtigkeiten wehren könnte. Ich finde allgemein, dass der Schüler viel mehr mit seinen Lehrern reden sollte. So kann der Lehrer seine Schüler auch besser kennen lernen, was ihm ermöglicht, objektiver seine Leistung zu bewerten. 

Allgemein hat man ständig zu wenig Zeit. man muss von der einen zur anderen Stunde rasen. Hat man sich zum Beispiel in Physik mit dem Abwurfwinkel einer Bombe aus einem Jagdflieger beschäftigt (Tatsache! 7. März 1988), muss man im darauf folgenden Deutsch mit attributiven Konjunktionalsatzadjektiven (die gibt es tatsächlich!) und den Spezialfällen bei den Kommaregeln kämpfen. Alle 45 Minuten ein anderes Thema und das bis zu 9x am tag. Kein Wunder, dass es Stunden gibt, in denen man nicht mehr so konzentriert ist und aktiv mitmachen kann. Es bleibt zu wenig Zeit zum Reden. Diskussionen werden durch den Pausengong unterbrochen. Ebenso schlimm finde ich es manchmal zu erfahren, wie unpädagogisch und «verhaltensgestört» Lehrer auf die Schüler losgelassen werden. Die haben so keine Ahnung von Tuten und Blasen, aber verdienen trotzdem ihre Fränkli damit. Mir graut davor zu wissen, dass ein Lehrer seit 20, 30 oder sogar 40 Jahren den gleichen Stoff präsentiert. Die Schulstunde wird zur Routine. Auf neue, störende, interessierte Fragen wird nicht oder nur ungenügend geantwortet. 

Naja, nun bin ich eigentlich vom Thema abgeschweift. ich wollte doch nur schreiben, wie schön die Schule doch sein kann.
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