March 7, 2012 / erstellt am:  March 5, 2012
Weiterbildung, HKB, Diplomarbeit, Master-Thesis, Buch / Bewertung: 9

Adieu sagen wir zum Abschied

Ausgehend vom Thema «sichtbare Abwesenheit» in der schriftlichen Reflexion meiner Master-Thesis an der Hochschule der Künste in Bern fokussierte ich in meiner praktischen Arbeit mein Thema auf die endgültigste Form von Abwesenheit eines Menschen - sein Tod. «Sterben und Tod» im Allgemeinen und der Verlust der eigenen Eltern im Speziellen ist ein Thema, das wir gerne verdrängen um uns Angenehmerem zuzuwenden. Aber früher oder später werden wir alle damit konfrontiert, wenn es darum geht Abschied zu nehmen und für immer Adieu zu sagen.

Aus eigener Erfahrung und aus der Sicht anderer Menschen wollte ich in meiner praktischen Arbeit die ganz persönlichen Gedanken zu diesem endgültigen Verlust in einem Buch und in einer Ausstellung sowohl in Bild und Text festhalten. Wie kann ich die Abwesenheit eines verstorbenen Menschen sichtbar machen? Welche Spuren (materielle und immaterielle) hinterlässt ein verstorbener Mensch, die auf seine Abwesenheit hinweisen? Wie gehe ich mit dem Thema respektvoll um, ohne in übermässigen Pathos oder Kitsch zu verfallen?

Der Tod ist faszinierend und beängstigend zugleich. Wir wissen, dass er zum Leben gehört und können uns dennoch nie ganz mit ihm anfreunden.

Der endgültige Abschied von den eigenen Eltern hinterlässt eine Leere, eine Lücke, ein Loch, das nie wieder gefüllt werden kann. Manchmal stört es uns und manchmal lässt es sich besser ins alltägliche Leben integrieren. Manchmal gerät es beinahe in Vergessenheit, aber unser Erinnerungsvermögen bringt es immer wieder in unser Bewusstsein zurück. Auch wenn wir wissen, dass es zum natürlichen Lauf der Dinge gehört und dass in den meisten Fällen die eigenen Eltern vor einem selbst sterben, ist dieser Verlust besonders prägend. Kein Mensch kann einfach so ersetzt werden und erst recht nicht die eigene Mutter und der eigene Vater, da wir nur diese eine Mutter und diesen einen Vater haben. Sind sie plötzlich weg, fühlen wir uns alleine gelassen, obschon wir dies in den meisten Fällen nicht wirklich sind. Wir wissen, dass das Leben weiter geht und es bleibt der versöhnliche Gedanke, dass durch die Beschränktheit der Lebenszeit, die anwesenden Menschen um einem herum, das Wichtigste sind und ihnen die volle Aufmerksamkeit gehören sollte.

Durch das ganze Buch hindurch ist dieses beschriebene Loch vorhanden. Es geht durch den Umschlag, durch alle Fotografien und zum Teil auch durch die Texte hindurch. Manchmal stört dieses Loch, aber meistens arrangiert man sich damit. Das Buch beginnt mit schwarzen Seiten und einer Einleitung, die noch vor der eigentlichen Inhaltsangabe erscheint und auf das Thema einstimmt. Die Inhaltsangabe zeigt die klare Gliederung in zwei Hauptteile. Zuerst die persönlichen Geschichten und danach ausgewählte Fremdtexte von verschiedenen Autorinnen und Autoren, die bereits in einem anderen Zusammenhang publiziert wurden. Bei den persönlichen Geschichten beschränke ich mich auf Text und Fotografie und bei den Fremdtexten, die sich durch einen grauen Hintergrund unterscheiden, verwende ich eigene Illustrationen, die mir ermöglichten, das Thema noch einmal auf eine andere Art umzusetzen und sogar etwas Humor hineinzubringen.

Ich bin zuerst von mir selber ausgegangen: Wie habe ich den Tod meines Vaters vor einigen Jahren erlebt? Welche Spuren sind heute noch von ihm vorhanden? Welche Erinnerungen habe ich an ihn? Wie kann ich seine Abwesenheit sichtbar machen? Hat sein Tod etwas verändert?
Danach lasse ich meine Mutter erzählen. Das selbe Ereignis aus einer anderen Sicht betrachtet. Darauf folgen drei weitere persönliche Geschichten von Personen aus meinem Freundeskreis über den Abschied von Mutter oder Vater, den Schmerz, die Trauer und den Umgang damit. Im Zentrum stehen jeweils eine grosse Fotografie zu «sichtbarer Abwesenheit» über eine ganze Doppelseite, gefolgt von einer Portraitfotografie der erzählenden Person und weitere ergänzende Fotografien. Bei jeder Geschichte konzentriere ich mich auf einen anderen Schwerpunkt und überlasse den Vergleich und die Interpretation dem Betrachter und der Betrachterin. In den Fremdtexten tauchen viele Aspekte aus den persönlichen Geschichten wieder auf und setzen die Aussagen in einen allgemeinen Zusammenhang. Im Nachwort spanne ich einen Bogen zum Einleitungsteil und beende das Buch mit einem persönlichen Fazit. Das Buch begann düster und schwarz und endet hell und optimistisch.

Obwohl ich viel Zeit ins Schreiben der Texte investiert habe und eher zurückhaltend mit den Bildern umgegangen bin, haben für mich Text und Bild denselben Stellenwert. Ich bin abgesehen von Kleinigkeiten zufrieden mit meiner Arbeit und bin sehr gespannt auf die Beurteilung der Fachkommission. Die Auseinandersetzung mit den Themen «Sterben und Tod», «Abschied und Trauer» war für mich trotz anfänglicher Widerstände eine persönliche Bereicherung. Wie eine Freundin von mir sagte, habe wahrscheinlich nicht ich das Thema ausgewählt, sondern das Thema mich.

Ausstellung zur Master-Thesis
Text zur Ausstellungsbeschreibung
Fotografien während des Ausstellungsaufbaus
schriftliche Reflexion
Gestalterische Variante als Nachtrag
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